Macho-Chefs: Gemeinsam sind sie blöd – Ausflüge in das neue Buch von @wilddueck

Schwarmdumm

Als Schule der Intrigen mit Macho-Kultur bezeichnet der Ex-Telekom-Vorstand Thomas Sattelberger im Spiegel-Interview die düstere Realität auf Chefetagen. Er muss es wissen. Deutsche Unternehmen seien viel stärker auf pure Effizienz fixiert als etwa angelsächsische oder skandinavische.

„Ertragsziele werden oft exzessiv bis auf die unterste Ebene durchgestellt. Da bleiben kaum Freiräume für die Mitarbeiter, neue Wege zu suchen. Ausländische Kollegen halten viele deutsche Topmanager oft für spröde, steif, humorlos und förmlich. Das ist ein Spiegelbild der kreativitätsarmen Unternehmenskultur“, erklärt Sattelberger.

Schwarmdumme Unternehmen

In der Vergangenheit ist das mehr oder weniger gut gegangen. Die Unternehmen hatten nach Ansicht des Publizisten Gunter Dueck so viel Fett angesetzt, das es ein Leichtes war, sie zu verschlanken.

„Dann kamen die Optimierungstechniken dazu, die durch Tabellenkalkulation und kaufmännische Unternehmens-Software immer neue Einsatzfelder fanden. Jahr um Jahr wurde eingespart und eingespart. In letzter Zeit sind viele Unternehmen schon fast totgesagt, wie man sagt. Aber das Management will immer weitere Einsparungen sehen, die eigentlich nur noch über das Einsparen von Mitarbeitern, deren geringere Bezahlung oder unbezahlte Überstunden realisiert werden können“, schreibt Dueck in seinem neuen Buch „Schwarmdumm – So blöd sind wir nur gemeinsam“, erschienen im Campus-Verlag.

Nach dem Abschneiden von Fett ging es ans Eingemachte. Jetzt demontiert man gar die Rest-Substanz via „Mikromanagement“. Da kümmert sich der Controller auch um den Schwund von Kaffeetassen in Büroküchen und überprüft die Notwendigkeit jeder Taxifahrt. Am Ende erfordern die kleinteiligen Einsparungen mehr Arbeitsaufwand, als sie einbringen.

Sparen bis zum Tod der Organisation

Wenn man alle halbwegs vernünftigen Stellschrauben abgeerntet hat, könne man am Ende nur noch auf Kosten anderer agieren.

„Diese anderen sind in großen Unternehmen oft weit weg, deshalb wird so ‚erfolgreich‘ eingespart, weil man das Unheil an anderer Stelle nicht einmal wahrnimmt“, so Dueck.

Das stört aber keinen großen Geist im Top-Management. Es reicht dabei nicht aus, bis zum letzten Atemzug die Unternehmensorganisation auszupressen, die Diätkur muss bis zum Erbrechen kontrolliert werden. Leitmotto: „Mach Deine Zahlen! Keine Ausreden!“

Die Unerbittlichen Topmanager tracken das Management bis in den letzten Winkel des Etagen-Klos.

„Alle Manager und Mitarbeiter werden von den Mess- oder Tracking-Systemen des Unternehmens zur Leistungsmessung so hart in die Mangel genommen, dass sie unter allen Umständen ihre Zahlen bringen wollen. Die Drohungen des Chefs bei zu schlechten Zahlen sind in den letzten Dekaden so massiv geworden, dass es schon fast um das persönliche ‚Überleben‘ zu gehen scheint“, führt Dueck in seinem Opus aus.

Sowjetisches Controlling

Als Ergebnis entsteht ein Zahlen-Fantasie-Regime wie bei der Erfüllung der Fünfjahres-Pläne in der Sowjetunion. Das Controlling-Reich will sogar beschissen werden, damit man dem Finanzmarkt bessere Ergebnisse serviert und den Aktienkurs „pflegt“. Wenn etwas schiefgeht, sind die Mitarbeiter schuld. In schwarmdummen Unternehmen ist es wichtig, den Schwarzen Peter loszuwerden. Alle großen Firmen tun das: Place your blame, please. Im Manager-Deutsch wählt man selbstredend gesittete Formulierungen: „Das wirtschaftliche Umfeld ist schwierig.“ „Der Preisdruck nimmt zu.“ „Die Kunden willen immer mehr für das gleiche Geld, sie lassen uns kaum noch leben.“ „Wir finden kaum noch Mitarbeiter, die alles können und für wenig Geld arbeiten wollen.“ „Die Politik setzt sich nicht für uns ein, obwohl wir den regierenden Parteien viel spenden.“ „Das globale Umfeld ist seit Jahren ungünstig.“ „Wir leiden unter der Eurokrise, die uns unverschuldet trifft.“ Laber, Rhabarber.

Vernetzung erschwert das Macho-Management

Dennoch geht es den heroischen und herrischen Unternehmensführern so langsam an den Kragen.

„Das heroische Unternehmen ist auf Hierarchie angewiesen, denn Helden können nur oben stehen“, so der Soziologe Dirk Baecker.

Das funktioniert wunderbar in stabilen Umwelten der Massenproduktions-Ära. In turbulenten Zeiten werden diese hierarchischen Top-Manager auffällig und als störenden Verzerrer wahrgenommen. Allerdings könne es nach Ansicht von Becker noch 40 bis 50 Jahre dauern, bis die liebwertesten Gichtlinge des Macho-Managements von der Bildfläche verschwinden. Unternehmen werden in vernetzten Strukturen immer mehr von der Außenwelt gesteuert.

Zuerst erschienen im Debattenmagazin „The European“.

Siehe auch:

Tschakka, Tschakka! Grundlose Begeisterung ist Pflicht!

9 Kommentare

    • Dann erzähle ich dir mal, wie die Anarchisten die Straßenbahnen von Barcelona übernommen und in wirtschaftlich absolut vernünftiger Regie weitergeführt haben (natürlich abzüglich der Dividendenzahlungen an Aktieninhaber) 🙂

      • Sehr gut Walter. Dann können wir uns auch noch über die Vorschläge von Thomas Sattelberger unterhalten, der Unternehmen in soziale Laboratorien unter Beteiligung der Zivilgesellschaft verwandeln möchte. Da kann dann auch noch das Büchlein “Wege zu Wissen und Wohlstand oder lieber krankfeiern als gesund schuften” zur Sprache kommen 🙂

  1. Hierarchische Strukturen, Status-geile Manager, grenzenlose Gier… das erklärt den desolaten Zustand unserer Welt ganz gut. Solange wir an solche falschen Axiome festhalten, der Mensch sei „eben“ egoistisch und müsse für seine „selbstlose Anstrengung“ materiell bis weit über die Grenze des Absurden belohnt werden, kommen wir auch nicht weiter. Bislang konnte noch niemand rational begründen, warum ein VW-Chef weit mehr als eine Million Euro im Monat verdienen soll. Kein Mensch ist so viel Wert, auch Martin Winterkorn nicht. Überhaupt sollte man die Relation von Arbeitsaufwand und Entschädigung bei Vorstandmitgliedern hinterfragen. Spaniens Ex-Premier Felipe González kriegt 180’000 € von einem Gaskonzern (und „langweilt sich“ dabei, nach eigener Aussage). Es geht nur um Belohnungen für Konzern-Konformes Verhalten während des politischen Amtes. Konformität statt Debatte, Hierarchie statt Demokratie: das Grundprinzip der Welt. Rosa Montero beschrieb das auf Firmenebene 1988 ganz schön in ihrem Roman „Amado Amo“ (Geliebter Gebieter).

    Das Grundprinzip aller idiotischen Manager-Regeln, die unsere Welt zugrunde richten, heißt TINA – There is No Alternative. Dabei gibt es unzählige Alternativen. Alleine in den USA – Vorreiter des Kapitalismus – gibt es über 11’000 Kooperativen und Betriebe unter Kontrolle ihrer Arbeitnehmer. Die Baskische Groß-Kooperative Mondragón kriegt zwar ab und zu lobende Erwähnung (sogar in The Economist), dabei wird aber selten die Frage aufgeworfen, wie wir aus dem Modell lernen könnten. Starke Gewerkschaften und Betriebsräte sind Grundbedingungen für einen beständigen und erfolgreichen Kapitalismus (wenn man auf die radikaleren Alternativen nicht eingehen mag). Aber seit 30 Jahren wird ein weltweiter Kampf gegen die Gewerkschaften geführt. Und die Wirtschaft gelangt immer mehr in den alleinigen Händen einer immer kleineren Schicht von Geld-scheffelnden und Golf spielenden Vollidioten.

    Ein Bekannter erzählte mir kürzlich ganz stolz, sein Sohn habe im Lehrplan seiner privaten BWL-Schule auch „Golf“ und „Weinkunde“ stehen. Das zeige doch wie „Realitäts-orientiert“ die Schule sei. Schade, ich kannte ihn, als er 10 war, eigentlich ein netter Junge. Jetzt wird er zu einem Manager-Arschloch getrimmt. Echt schade.

    • Die Konzerne sind halt abgeschottete Organisationen wie die Katholische Kirche mit eigenen Regeln, mit sektenhaften Ritualen, mit personeller Selektion zur Absicherung von Positionsmacht, mit Gleichschaltungen in Politik und Spitzenverbänden. „Deutschland AG“ ist für diesen Tatbestand schon ein recht treffendes Synonym. Arbeitnehmer-Kontrolle reicht übrigens nicht aus, das sieht man etwa an der zweifelhaften Rolle von Gewerkschaftsfunktionären in Aufsichtsräten. Unternehmen müssen im Ganzen demokratisiert werden. Vonnöten wäre eine Öffnung in Richtung der Bürgergesellschaft. Mitsprache der Zivilgesellschaft, wie es Thomas Sattelberger in der Telekom umsetzen wollte. Mittlerweile ist dieses Programm wieder ad acta gelegt worden nach dem Ausscheiden von Sattelberger als Personalvorstand und nach dem Wechsel an der Spitze des Netzbetreibers.

      • Einverstanden. Mitsprache der Zivilgesellschaft ist der einzige Weg – deshalb wird gerade sie immer wieder verhindert, weil sie die Mächtigen bedroht. Gewerkschaften sind nicht „die Lösung“ (eine einzige Lösung kann es gar nicht geben), aber vielleicht eine Vorbedingung. Die Anarchosyndikalisten der CNT hatten vor und im spanischen Bürgerkrieg lokale Strukturen, dank derer sie Dörfer und Städte zum Wohl der Gemeinschaft umorganisieren konnten. Die „Federación local“ war das Rückgrat der Bewegung, die dem Militärputsch eine Revolution entgegenstellen konnte (natürlich hatte die CNT in ihrer Ideologie die Machtfrage nicht genügend beachtet und wusste, etwa in Katalonien, nicht, was sie mit dem Staat anfangen sollte, als dieser von ihr erobert wurde – aber das führt hier zu weit).

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